Ausstieg aus der Atomstromnutzung: Die viel beschworene "Stromlücke" ist eine Fata Morgana.

Stadtwerke, Kommunen und Landkreise sollen als Vorreiter im Atomausstieg fungieren.

09.04.11 –

"Die Profitinteressen der Stromkonzerne dürfen nicht länger wichtiger sein als die Sicherheit der Menschen" fordert Rolf Martens, Mitglied im Kreisvorstand des BündnisGrünen Kreisverbandes Stralsund/Rügen/NVP. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, finden in Stralsund, in Bergen, in Barth und in Grimmen regelmäßig Montagsabends Mahnwachen statt, informiert Martens. Wer darüber hinaus einen Beitrag zur Energiewende leisten will, der müsse jetzt den Stromanbieter wechseln und auf 100% Ökostrom umsteigen. Dies gelte für die Privatbürger ebenso, wie für Firmen, Vereine, Institutionen und insbesondere für Behörden, Kommunen und Landkreise. "Wir Bündnisgrünen fordern, dass die Kommunen und Landkreise unserer Region hier eine Vorreiterrolle übernehmen und schnellstmöglich auf 100%Ökostrom umsteigen" so Martens. "Die kommunalen Stadtwerke (z.B. in Stralsund, Barth und Grimmen) sollen die Weichen dahingehend stellen, dass sie zunächst einen atomstromfreien Energiemix anbieten können, um in der Folge eine Steigerung des Ökostromanteils im Mix entsprechend des am Markt erhältlichen Angebotes schrittweise bis auf 100% auszubauen", bekräftigt Martens die Forderung. Der Ausstieg aus der Kernenergie sei am besten dadurch zu unterstützen, dass sie nicht mehr nachgefragt würde.

Dem Argument der Stromkonzerne, der Ausstieg aus der Kernenergie würde zu Engpässen in der Versorgung und zu Steigerungen des Importes von Atomstrom führen, halten die BündnisGrünen entgegen:

 

"Die Warnungen sind haltlos und unglaubwürdig. Deutschland ist Stromexportland. In Wahrheit wollen RWE & Co. die Öffentlichkeit in die Irre führen und ihre Schrottmeiler als unverzichtbar für die Stromversorgung darstellen", so Martens. Bereits jetzt belege eine aktuelle Studie des Ökoinstituts, trotz sehr konservativer Grundannahmen, dass ein schneller Ausstieg weder zu Engpässen noch zu erheblichen Preisanstiegen beim Stromeinkauf führt (s. Faktensammlung unten).

 

Martens betont: "Wir BündnisGrünen sehen die uneingeschränkte Notwendigkeit des schnellstmöglichen Ausstieges aus der Atomkraftnutzung und laden öffentlich zur Debatte über die damit verbundenen Chancen ein. Die Argumentation der Stromkonzerne beschwört hingegen ein Schreckgespenst herauf, das es nicht gibt. Der Strom wird nach dem Ausstieg weder teurer, noch wird es einen Strommangel geben. Richtig ist dagegen, dass Deutschland bereits heute einen weit größeren Überschuss an Strom produziert, als die sieben ältesten Meiler abwerfen (s. Fakten-Kasten). Und schon 2008 stellte das Umweltbundesamt in einer Studie fest: "Die Versorgungssicherheit bis 2020 ist durch den Ausstieg aus der Atomenergie nicht in Gefahr." Auch die Klimaziele seien bei einem Verzicht auf neue Kohlekraftwerke nicht gefährdet; vorausgesetzt, der Stromverbrauch sinkt und es wird in die Entwicklung neuer Technologien investiert. Und schließlich erfordert der Ausbau erneuerbarer Energien weder längere Laufzeiten von Atomkraftwerken noch den Neubau von Kohlekraftwerken. Die viel beschworene "Stromlücke" wurde bereits im Mai 2010 als eine "Fata Morgana" bezeichnet – von Martin Faulstich, dem Vorsitzenden des Sachverständigenrats des Bundestages für Umweltfragen.

 

Am Montag, dem 11.04. finden um 18:00 Uhr in Grimmen, Stralsund und Barth wieder Mahnwachen statt, am Ostermontag wird es in Lubmin eine Großdemonstration geben, zu der ein breites Bündnis von Organisationen, Verbänden und Parteien aufruft. Mehr Informationen dazu unter www.ausgestrahlt.de

 

Fakten zur Atomenergienutzung in Deutschland

1. Die 17 AKWs in Deutschland sind seit Jahren immer nur teilweise am Netz. Störungen, Revisionen oder auch die gezielte Drosselung lassen den Atomstromanteil in Deutschland seit 2005 sinken. Im Jahr 2007 standen schon einmal sechs Atomkraftwerke parallel wegen Zwischenfällen oder Wartungsarbeiten still. Deshalb gab es einen Einbruch beim produzierten Atomstrom. Dennoch wurde ein Exportüberschuss von knapp 20 Mrd. kWh erreicht. Auch zu Beginn des von Kanzlerin Merkel vor zwei Wochen verkündeten Moratoriums waren drei der sieben jetzt vorübergehend stillgelegten AKWs gar nicht am Netz.

2. Strom wird schon seit langer Zeit europaweit gehandelt. Grund dafür ist, dass sich die Stromversorger auf dem EU-Markt dort mit Strom versorgen, wo er in der jeweiligen Stunde am billigsten zu bekommen ist. Daher gibt es beständig internationalen Stromhandel und Austausch zwischen den Ländern.

3. Deutschland ist mit einem Exportüberschuss von bis zu 22 Mrd. kWh Strom seit Jahren einer der größten Stromexporteure in Europa. Dennoch wurde aus Frankreich und Tschechien auch in den vergangenen Jahren unterm Strich regelmäßig mehr importiert als exportiert. Hauptexportländer für Deutschland sind die Schweiz, Österreich, die Niederlande, Luxemburg, Dänemark und Polen.

4. Deutschland hat enorme Kraftwerksreserven. Zurzeit steht laut „Monitoringbericht Versorgungssicherheit“ des Bundeswirtschaftsministeriums (Januar 2011) jederzeit eine ungenutzte Kraftwerksleistung von 13.200 MW bereit. Zum Vergleich: Die sieben ältesten AKW und der Reaktor Krümmel haben zusammen eine maximale Leistung von 8.400 MW.

5. Steigen die Importe jetzt an, bedeutet dies lediglich, dass die Energieversorger sich

dagegen entscheiden, ihre ruhenden Kraftwerke anzufahren und stattdessen lieber Strom im Ausland zukaufen. Das ist legitim, aber keinesfalls ein Hinweis auf mangelnde Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland.

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Vorpommern-Rügen